Inflationsrate erreicht in Deutschland niedrigsten Stand seit 2015

Vor 15 Jahren zahlten Verbraucher für einen Standardbrief 0,55 Euro. Heute sind es bereits 0,80 Euro. Ein Grund dafür ist das von der EZB verfolgte Ziel einer langfristigen jährlichen Inflation von knapp unter 2 Prozent. In den vergangenen Jahren bewegte sich die Inflationsrate mehr oder weniger im Zielkorridor, meist zwischen 1,0 und 2,1 Prozent.

In diesem Jahr hat sich die Inflationsrate jedoch spürbar verändert. Nach -0,1 % im Juli und 0 % im August lag sie im September und im Oktober mit -0,2 % gegenüber dem Vorjahresmonat erneut unter der Nullmarke. Eine niedrigere Rate wurde zuletzt im Jahr 2015 in Folge der erheblichen Rohölpreissenkungen mit minus 0,3 Prozent vom Statistischen Bundesamt gemessen.

Gründe für die sinkende Inflationsrate sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Sie führten beispielsweise zu einer temporären Senkung der Mehrwertsteuer, der Energiepreise und auch zu einer allgemein sinkenden Nachfrage. Folglich wurde die Preisentwicklung vorübergehend ausgebremst und dadurch der Wert des Geldes erhöht. Für Sparer bedeutet dies einen leichten Anstieg des Realzinses und damit eine Erhöhung der Kaufkraft von Ersparnissen.

Langfristig gesehen würde sich eine Inflationsrate unter null jedoch negativ auf die Wirtschaft auswirken. Denn dauerhaft fallende oder gleichbleibend niedrige Preise könnten ohne Gegenmaßnahmen der Zentralbanken zu einer Deflation führen.
 

Erfahren Sie hier die wichtigen Hintergründe zum Thema Inflation und Deflation: 

Was ist Inflation?

Inflation bezeichnet den dauerhaften Anstieg des Preisniveaus für Waren und Dienstleistungen und die gleichzeitig sinkende Kaufkraft des Geldes. Bei steigender Inflationsrate können sich Verbraucher dementsprechend für das gleiche Geld weniger leisten, da der Euro schlicht weniger wert ist.

Wie wird die Inflationsrate berechnet?

Zur Berechnung der Inflationsrate verwenden Volkswirtschaftler „Warenkörbe“, die einen aussagekräftigen Durchschnittsverbrauch von Haushalten abbilden. Dabei werden die Gesamtausgaben beim deutschen Verbraucherpreisindex in unterschiedliche Kategorien aufgeteilt - darunter Nahrungsmittel, Verkehr, Energie und Gesundheit. 

Die einzelnen Punkte werden entsprechend gewichtet und das aktuelle Preisniveau bei zahlreichen Anbietern geprüft. Die prozentuale Veränderung des Verbraucherpreisindexes zum Vorjahr bezeichnet dann die Inflationsrate. Der Durchschnittswert kann jedoch von der persönlichen Entwicklung der Kaufkraft einzelner Verbraucher je nach deren Konsumverhalten abweichen. 

Wann spricht man von Deflation?

Bei einer Deflation wird ein signifikanter und anhaltender Rückgang des Preisniveaus für Waren und Dienstleistungen verzeichnet. Sie bildet das genaue Gegenteil zur Inflation. Gründe für eine Preissenkung sind meist ein erheblicher Rückgang der Nachfrage und das damit verbundene Überangebot.

Warum ist eine leichte Inflation besser als eine Deflation?

Das stetige Ziel der EZB ist es, eine kontinuierliche Preisstabilität zu gewährleisten. Um diese zu erreichen, wurde eine jährliche Inflationsrate von knapp unter 2 Prozent festgesetzt. Der Grundgedanke hinter dieser Festlegung war, einen ausreichenden Abstand zur Nullmarke gewährleisten zu können, damit ein Abrutschen in eine deflationäre Phase weitestgehend vermieden werden kann. Denn auch wenn sich eine Deflation zunächst positiv auf den Wert des Geldes auswirkt, sind die wirtschaftlichen Folgen vor allem auf längere Sicht deutlich nachteilig.

Eine Deflation, also eine Inflationsrate, die längerfristig unter null liegt, hätte zur Folge, dass viele Unternehmen mit Gewinneinbußen oder sogar erheblichen Verlusten rechnen müssten. Dies könnte zu Gehaltskürzungen oder im schlimmsten Fall zu einem Anstieg der Arbeitslosenquote und Insolvenzen führen. Grund hierfür ist unter anderem die abwartende Haltung für Investitionen. Durch eine kontinuierliche Senkung der Preise könnten viele Menschen ihre Kaufentscheidung aufschieben, weil sie sich ein noch besseres Angebot erhoffen. Das Wirtschaftswachstum würde sich merklich verlangsamen und durch geringere Einnahmen die Schuldenbelastung bei Unternehmen und Privatpersonen erhöhen. Es würde auf Dauer zu einer Abwärtsspirale führen.

Aber auch eine Inflationsrate, die weit über null liegt, wirkt gegen eine Preisstabilität. Denn je höher die Preise, desto weniger können sich die Menschen leisten. Beispielsweise würde bei einer Hyperinflation mit einer Rate von durchschnittlich 50 Prozent ein Standardbrief nach einem Jahr rund 1,20 Euro kosten. Der Preis würde also höchstwahrscheinlich schneller steigen als die Gehaltserhöhungen der Verbraucher und die Kaufkraft dadurch sinken.

Aufgrund dessen bietet eine leichte, kontrollierte Inflation laut EZB einen guten Kompromiss, um dem inflationären und deflationären Druck zu entgehen. Dennoch ist es für die Währungshüter eine stetige Herausforderung, die wirtschaftlichen und sozialen Anordnungen in Einklang zu bringen, da es keine exakte Wissenschaft zur Steuerung der Inflation gibt.

Was bedeuten Inflation und Deflation für Sparer?

Bei einer Inflationsrate, die über der Nullgrenze liegt, verliert der Euro auf Dauer immer mehr an Wert. Beispielsweise würde der effektive Wert eines heutigen Guthabens von 2.000 Euro mit einer Inflationsrate von durchschnittlich 1,2 Prozent nach 5 Jahren um 117 Euro sinken. Sparer könnten sich dementsprechend in 5 Jahren lediglich Waren und Dienstleistungen im Wert von 1.883 Euro leisten. Um dem entgegenzuwirken, bieten europäische Banken attraktive Zinssätze auf Tagesgelder und Festgelder an.

Im Falle einer vorübergehenden deflationären Tendenz können Sparer im Umkehrschluss jedoch auch von der Inflationsrate profitieren. Denn durch eine niedrigere Rate gewinnen ihre Ersparnisse an Kaufkraft. Für Anleger, die zudem Zinsen auf diese Ersparnisse erhalten, kann sich eine solche Phase durch den Realzins sogar doppelt auszahlen.

Nominalzins – Inflation = Realzins 

Für die Inflationszahlen im Oktober von minus 0,2 Prozent ergab sich so eine Wertsteigerung von „real“ 0,2 Prozent. Bei einem Festgeldzins von 1,50 Prozent erhöhte sich der Realzins in diesem Monat folglich auf 1,70 Prozent. Dementsprechend konnten sich Sparer, deren Festgelder im Oktober ausgezahlt wurden, mehr für ihre Zinsen leisten. Die positive Auswirkung des Realzinses gilt jedoch lediglich für die Zeiträume, in denen die Inflationsrate unter 0 Prozent liegt.

Bleibt die Inflationsrate also für eine gewisse Zeit unter der Nullmarke, können Sparer auch in den kommenden Monaten von einem positiven Realzins profitieren. Bis zur nächsten inflationären Phase lohnt sich Sparen daher umso mehr.

Hintergründe zur EZB und ihren grundlegenden Aufgaben

Im Juni 1988 bestätigte der Europäische Rat das Ziel einer Wirtschafts- und Währungsunion mit einer einheitlichen Geldpolitik. 11 EU-Mitgliedsstaaten erfüllten die notwendigen Voraussetzungen zur Einführung des Euros als länderübergreifende Währung – darunter Deutschland, Frankreich, Spanien und Irland.

Zur Regulierung des Euros wurde 1998 die Europäische Zentralbank (EZB) errichtet. Sie gilt als unabhängige Bank ohne staatliche Einflüsse. Dadurch kann die EZB ihre Strategien und den Handlungsrahmen zur Erreichung ihrer Ziele frei gestalten. Diese Ziele wurden bereits 1992 im Maastricht-Vertrag festgelegt. Zwei der wichtigsten Aufgaben der EZB sind dabei die Gewährleistung des Wirtschaftswachstums und die Preisstabilität des Euros.

Beim Wirtschaftswachstum geht es vorrangig um die Regulierung des Leitzinses. Dieser wird von Banken gezahlt, insofern sie sich Geld von der EZB leihen. Grund für eine Erhöhung oder Senkung des Leitzinses ist ein durchschnittlicher Anstieg der Wirtschaft, um eine Rezession zu vermeiden.

Die Preisstabilität hingegen trägt maßgeblich zu einem allgemeinen Wohlstand, einer stärkeren Konjunktur und höheren Beschäftigungsverhältnissen bei. Daher hat es sich die EZB auf Basis einer wirtschaftlichen Analyse zur Aufgabe gemacht, die Preisstabilität mit einer zielgerichteten Inflationsrate zu gewährleisten.

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